Allgemein

Konferenz: Es kann nur noch in eine Richtung gehen – Drogenmärkte regulieren

23. Oktober 2016

Am vergangenen Wochenende trafen sich in Hamburg Fachleute aus der Drogenhilfe, Verbänden, der Politik und Wissenschaft, sowie Vertreter aus städtischen und kommunalen Verwaltungen, um über eine neue Drogenpolitik zu beraten. Eingeladen zu der zweitägigen Fachtagung hatte der Hamburger Zusammenschluss AG Drogenpolitik Hamburg (AG Dropo). Die AG ist eine offene Arbeitsgemeinschaft von Personen aus verschiedenen Organisationen. Regelmäßig dabei sind Palette e.V., ragazza e.V., Aidshilfe Hamburg, freiraum hamburg e.V., akzept e.V., Schildower Kreis, Die Grünen, Hamburg, PIRATEN Hamburg, Standpunktschanze e.V., der Trägerverein des Stadtteilbeirates Sternschanze und selbstverständlich wir, der Cannabis Social Club Hamburg e.V. (CSC-HH) als Interessenvertretung der Cannabisnutzer.

Schluss mit Kriminalisierung – Drogenmärkte regulieren!

„Schluss mit KRIMInalisierung – Drogenmärkte regulieren!“ lautete das Motto der Veranstaltung, das Anke Mohnert von der Drogenhilfeeinrichtung Palette e.V. auf der Pressekonferenz zu Beginn erläuterte: „Wir haben nicht eingeladen, um eine offene Debatte über die Notwendigkeit einer neuen Drogenpolitik zu führen. Hier kommen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Städtevertreter, Politiker, Praktiker aus der Drogenhilfe und Nutzer zusammen, um über das Wie von notwendiger Regulierung zu beraten.“ Natürlich würden wir auch weiter mit Prohibitionsbefürwortern diskutieren und weiter versuchen zu überzeugen, es sei aber an der Zeit, dass sich die Prohibitionskritiker verstärkt miteinander beraten, um gemeinsam Modelle und Wege zu entwickeln. Wir dürften nicht stecken bleiben und mit den immer gleichen Gegnern, die immer gleichen Argumente austauschen. Die Diskussion mit einem Professor Thomasius habe sich irgendwann auch erschöpft.

Das Programm bot, neben Reden, wie die Begrüßung durch Prof. Lorenz Böllinger, dem Initiator der Resolution der 123 Strafrechtsprofessoren, zu neun verschiedenen Themenbereichen Vorträge und Workshops in denen die Themen gemeinsam mit den, am Ende fast 300 Teilnehmern weiter bearbeitet wurden. Dabei war es dann auch nicht die allseits bemerkte hohe Professorendichte, die allein die Kompetenz der Tagung ausmachte, sondern die gebündelte Kompetenz aus vielen verschiedenen Bereichen und vor allem das Engagement der Referenten und Workshopleiter, sowie der Bereitschaft der Teilnehmer nicht nur zu konsumieren, also Informationen, sondern aktiv und gemeinsam an Themen zu arbeiten. Wir erwarten, dass im nächsten Jahr viele Impulse aus der Konferenz, speziell aus den Workshops zum tragen kommen und unsere Arbeit voran bringen werden.

User-Forum: Vernetzung lokaler Initiativen

Als besonders kann man betrachten, dass an dieser Fachtagung auch die Betroffenen aktiv beteiligt waren. Andreas Gerhold vom CSC-HH und Georg Wurth vom DHV änderten das Thema ihres Vortrages (Videoaufzeichnung demnächst hier) aufgrund des guten Veranstaltungsverlaufs spontan von „Was wollen die User?“ zu „Was können die User tun?“. Georg Wurth erklärte: „Auf die Frage was User wollen gibt es nicht die eine Antwort. Oder wenn man es zusammenfassen wollte, kann man sagen sie wollen einfach in Ruhe gelassen werden.Sie wollen nicht verfolgt werden“ Die dringlichsten Probleme, wie zum Beispiel die Führerscheinpraxis, die Situation von Patienten oder der dringliche Wunsch nach Eigenanbau, seien schon ausgiebig besprochen worden bzw. Themen eigener Workshops auf diesem Kongress, weshalb man sich jetzt, wie im folgenden Workshop, damit beschäftigen  wolle was die Nutzer dazu beitragen können, dass ihre Forderungen erfüllt werden. Aber um die Frage nicht einfach zu ignorieren trug Andreas Gerhold die Forderungen vor, die der CSC-HH konkret an die Hamburger Landesregierung stellt:

 

Zeiten ändern sich!
Wir fordern von der Bundesregierung und von der Hamburger Landesregierung eine Abkehr von der gescheiterten Prohibition und des Kriegs gegen Drogen:
– Legalisierung jetzt!
Hamburg soll, gemeinsam mit Bremen eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes einleiten und bis dahin alles auf Landesebene mögliche veranlassen um Cannabiskonsumenten zu schützen:
– Anhebung der sogenannten geringen Menge
Hamburg soll, bis zu einer Regulierung auf Bundesebene die geringe Menge zum Eigenbedarf die straffrei bleiben soll von derzeit 6g deutlich erhöhen und sich auf dieser Basis für eine bundeseinheitliche Regelung einsetzen. Auch straffreie Mengen für andere Drogen werden gefordert.
– Keine Verfolgung von Konsumenten
Auch wenn der Konsum selbst gar nicht strafbar ist, sind Konsumenten immer noch das Hauptziel von Polizei und Justiz. Die Verfolgung von Drogenkriminalität und hier wiederum von Cannabisdelikten im Bereich von Konsumenten und Kleinhandel bindet nicht nur unnötig Ressourcen, die bei der Verfolgung anderer Straftaten, insbesondere in der organisierten Kriminalität in den Bereichen Menschenhandel und Wirtschaftskriminalität fehlen, sie zerstört auch Existenzen von Menschen, die niemandem, außer vielleicht sich selbst, Schaden zugefügt haben.
– Keine Verfolgung von Eigenanbau
Menschen die ihr Cannabis zum Eigengebrauch selbst anbauen schwächen nicht nur den illegalen Markt, sie schützen sich auch selbst vor den Folgen der Illegalität und Ihre Gesundheit und damit auch die Gesellschaft vor unnötigen Gesundheitskosten durch Streckmittel. Da bei Anbau aber die sogenannten geringen Mengen die straffrei bleiben können, überschritten werden, werden Eigenanbauer regelmäßig wegen Handels, der gar nicht vorliegt, zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Das muss aufhören!
– Ausbau von Drogenkonsumräumen und Drugcheck
Für Konsumenten sogenannter harter Drogen gibt es in Hamburg Drogenkonsumräume in denen unter hygienischen Bedingungen und medizinischer Aufsicht konsumiert werden kann. Dieser aktive Verbraucherschutz muss aber auskömmlich finanziert werden. Es fehlen immer noch Möglichkeiten illegalisierte Substanzen auf Wirkstoffgehalt und unerwünschte, meist gefährliche Nebenstoffe testen zu lassen. Wir fordern den Ausbau von Drogenkonsumräumen – ausgerechnet auf St.Pauli gibt es gar keinen mehr – und die Einführung von Möglichkeiten zum Drogentest. Beides auch für Cannabiskonsumenten.
Drogenprävention an Schulen ausbauen
Drogenprävention ist lebenswichtig. Deshalb gehört eine moderne, ehrliche und auf Gefahrenreduzierung ausgerichtete Drogenprävention regelhaft in den Schulunterricht. Stattdessen ist Drogenprävention an Hamburger Schulen so gut wie nicht existent und fristet ein Nischendasein als Teil von Projektwochen.
 
Im anschließenden Workshop ging es vor allem um die schon im Vorfeld festgestellte Notwendigkeit der Vernetzung lokaler Initiativen, wie Cannabis Social Clubs, zur gegenseitigen Unterstützung und Kompetenzbündelung. So haben lokale Initiativen oft schon Schwierigkeiten eigenes Infomaterial zu erstellen oder sind mit Rechtsfragen konfrontiert, die andernorts längst beantwortet sind. Das Userforum soll zur praktischen Umsetzung der Vernetzung im kommenden Jahr mit Folgeveranstaltungen fortgesetzt werden.

Hamburger Resolution

Zum Ende der Veranstaltung verabschiedet der Kongress eine gemeinsame Resolution mit einem eindeutigem Meinungsbild:

Hamburger Resolution der bundesweiten Drogenkonferenz
„Schluss mit KRIMInalisierung – Drogenmärkte regulieren!“

Der kritische Punkt ist überschritten, es kann nur noch in eine Richtung weitergehen: Hin zur
Regulierung der Drogenmärkte. Wir sind uns einig, dass dies überfällig ist.

  • Wir fordern die flächendeckende Einführung von lizenzierten Cannabisverkaufsstellen, mit Zugang ab 18 Jahren und sachkundigem Personal. Erst dann haben wir die Möglichkeit für Verbraucher*innenschutz (Qualitätskontrollen, Mengenangaben, Wirkstoffgehalt, Konsumempfehlungen und -warnungen) und angemessenen Jugendschutz.
  • Jeder Erwachsene, muss das Recht haben Cannabispflanzen zum Eigengebrauch anzubauen
  • Wir fordern die Vertreter*innen der Bundesländer auf, die Bremer Bundesratsinitiative zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes zu unterstützen.

Aber das kann nicht alles sein:
Die Regulierung des Cannabismarktes muss auch einhergehen mit der Regulierung der anderen illegalisierten Drogen! Angesichts des jahrzehntelangen, schreienden Unrechts gegenüber Drogengebraucher*innen ist es nicht angemessen, über kleine Schritte in der Drogenpolitik zu reden. Hamburg 22.10.2016

Wir werden in den kommenden Wochen weiter über einzelne Teile der Konferenz berichten, Vorträge und Workshopergebnissen vorstellen und diskutieren.

Der CSC-HH sagt Danke

Das war eine tolle Konferenz am WE! Sehr informativ, konstruktiv und entspannt. Für mich eins der drogenpolitischen Highlights des Jahres!

Ich bedanke mich bei meinen Kollegen aus der AG Dropo Urs, Frank, Anke, Rainer und allen, für die tolle Zusammenarbeit in der Orga in den letzten Monaten.

Ich bedanke mich bei allen Referenten, Rednern und Workshop-Leitern. Es war nicht automatisch die allseits festgestellte hohe Professorendichte, die die Kompetenz der Konferenz ausgemacht hat, es war die gebündelte Kompetenz und vor allem das Engagement aller Beteiligten, die die Konferenz so effektiv und erfolgreich gemacht hat.

Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern und Gästen, die teils sehr lange Anfahrten aus ganz Deutschland und sogar dem benachbarten Ausland auf sich genommen haben. Hier sind mindestens 250, wenn nicht am Ende an die 300 Aktive zusammengekommen, nicht nur um zu konsumieren (Infos!), sondern um zwei Tage lang gemeinsam in den Workshops Themen zu bearbeiten. Ich bin mir sicher, dass aus dieser Arbeit zahlreiche wichtige Impulse für unsere Arbeit im nächsten Jahr hervorgehen werden.

Ich bedanke bei allen Unterstützern, wie den PIRATEN und Grünen Hamburg, der Schulleitung der Grundschule Sternschanze und dem Centro Sociale, dass wir dort zu Gast sein durften. Ganz besonders bedanke ich mich bei allen Helfern, die bei der Durchführung und Dokumentation so fleißig und mit Durchhaltevermögen mit uns gearbeitet haben. Ein ganz großer, spezieller Dank geht an Dennis, der die gesamte Grafik wie Info- und Programmflyer, Plakat und Banner gestaltet hat und auch bei kurzfristigen und nachträglichen Ergänzungen und Änderungswünschen nie die Geduld mit uns verloren hat.

DANK EUCH ALLEN!

Andreas Gerhold, Vorsitzender

 

Pressespiegel

NoaTV: Leider nicht mehr abrufbar, ist aber angefragt
0 likes

Author

Andreas Gerhold

Your email address will not be published.