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Ecktpunkte: Was steht drin, wie geht’s weiter?

27. Oktober 2022

Ecktpunkte: Was steht drin, wie geht’s weiter?

Karl Lauterbach hat gestern das abgestimmte Eckpunkte Papier der Bundesregierung zur geplanten Cannabis Legalisierung vorgestellt. Ziel des Projektes sei es den „Cannabiskonsum zu entkriminalisieren“ um „den Kinder- und Jugendschutz, sowie den Gesundheitsschutz“ zu verbessern. An anderer Stelle nennt Lauterbach sogar die „Senkung des Konsums“ als Ziel.

Anders als US Präsident Biden, der vor wenigen Wochen die Cannabisprohibition und die damit einhergehende sinnlose Zerstörung von Existenzen als historisches Unrecht anerkannte, das es zu heilen gelte, wurde das Unrecht eine Minderheit der Bevölkerung zu verfolgen und Schutz und Grundrechte zu verweigern, mit keinem einzigen Wort auch nur erwähnt. Im Gegenteil wurden die Ziele der Prohibition explizit als richtig dargestellt und gleich gesetzt mit den Zielen die, die Bundesregierung mit einer Legalisierung anstrebe.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte letzte Woche schon ein angebliches Eckpunktepapier vorgestellt, das mit einer Besitzobergrenze von 20g, einer Eigenabau Beschränkung auf 2 Pflanzen und einer THC-Obergrenze von 15% bzw sogar nur 10% für Menschen unter 21 jahren weit hinter allen Erwartungen und Ankündigungen zurückblieb und von Fachleuten sogar als „Bestandsschutz für den Schwarzmarkt“ bezeichnet wurde. Es herrschte große Aufregung unter den Betroffenen, sogar die Fachpolitiker der Ampelparteien waren schlicht entsetzt. Ebenso groß war die Erleichterung als das Gesundheitsministerium die Echheit des durchgestochenen Dokuments dementierte.

Die spannende Frage war nun inwieweit sich das echte und im Kabinett abgestimmte Papier von dem geleakten restriktiven Bürokratiemonster unterscheidet. Spoiler:

Gut: Cannabis soll raus aus dem BtmG

Beginnen wir mit dem wenigen Guten: Es soll für legalen Cannabisbesitz, Anbau, Eigenanbau und Handel kein großes Ausnahmepaket inerhalb des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) installiert werden, sondern unsere zentrale Forderung #CannabisRausAusDemBtmG soll erfüllt werden.

Das bedeuted, dass auch Verstöße gegen gesetliche Regelungen, wie das Überschreiten von Besitzobergrenzen oder der Besitz von Cannabis durch Jugendliche unter 18 Jahren nicht sofort eine Straftat darstellt, sondern in einem gesteckten Rahmen als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Auch die nachträgliche Streichung von konsumnahen Straftaten aus dem Register scheint angedacht, im Papier wird sogar das Wort Amnestie verwendet. Wie weit das gedacht ist, bleibt abzuwarten, immerhinn sollen auf der anderen Seite Vorbestrafte nicht in der Cannabisproduktion und Handel arbeiten dürfen und von der Lizenzvergabe ausgeschlossen werden.

Nicht gut – aber absehbar: Obergrenzen

Das neue Eckpunktepapier unterscheidet sich von dem das der RND zuvor veröffentlicht hatte bezüglich diverser Obergrenzen nur marginal:

  • statt 20g wird nun eine Besitzobergrenze von 20-30g  vorgeschlagen
  • statt 2 Pflanzen, sollen nun 3 Pflanzen Eigenanbau erlaubt sein
  • Statt einer allegmeinen THC Obergrenze soll nun eine ausschließlich für unter 21 jährige geprüft werden
  • Edibles sollen verboten bleiben, dafür sollen Tropfen und Sprays zum „nasalen und oralen“ Gebrauch erlaubt werden

Die deutschen Cannabis Social Clubs (CSC), die sich am vergangenen Wochenende zum Dachverband der Cannabis Social Clubs Deutschland (CSCD) zusammen geschlossen haben, lehnen in ihrem Eckpunktepapier jegliche Obergrenzen als kontraproduktiv ab.

Grundsätzlich streben wir eine echte Legalisierung an, die Cannabis mit anderen legalen Genussmitteln wie Alkohol, Tabak, Kaffee, gleich stellt. Alle Regulierungen müssen unbedingt evidenzbasiert begründbar sein. Ideologisch geleitete Regularien sind gescheitert und würden erneut scheitern. Eine Fortführung unwissenschaftlicher prohibitionistischer Ansätze ist lediglich geeignet, die Ziele einer Legalisierung, wie Gesundheits-, Jugend- und Verbraucher:innenschutz, zu torpedieren und einen Schwarzmarkt am Leben zu erhalten.

Besitzobergrenzen / Verkaufsobergrenzen
Besitz- und Verkaufsobergrenzen gibt es in Deutschland bislang für kein einziges Genussmittel. Jede/r Volljährige kann so viel Kaffee, Tabak oder Alkohol kaufen und besitzen, wie mensch will. Ein gut sortierter Weinkeller gilt als besonders wertvolles Kulturgut. Niemand käme auf die Idee, ein Weinliebhaber mit mehreren hundert Litern Wein im Keller würde sich oder gar Dritte gefährden. Auch wird ein
Weinliebhaber nicht wegen seines Vorrats pauschal des Schwarzhandels verdächtigt.

Eine Begrenzung des legalen Besitzes auf einige Pfund Kaffee oder einige Flaschen Bier oder Wein wäre nicht vernünftig begründbar. Genauso wenig ist aber eine Obergrenze für Cannabisbesitz begründbar, immer willkürlich und wird von uns kategorisch abgelehnt.

Eckpunktepapier Cannabis Social Clubs Deutschland

Begründet werden Besitzobergrenzen für Cannabis, im Gegensatz zu Genussmitteln wie Alkohol, Tabak oder Kaffee, mit einem Pauschalverdacht des illegalen Handels. Wer ungewöhnlich viel Bier kauft, will vielleicht eine Party feiern, wer ungewöhnlich viel Kaffee bei sich hat, hat vielleicht gerade ein besonders attraktives Angebot genutzt. Wer undgewöhnlich viel Wein besitz ist vielleicht stolzer Besitzer eines Weinkellers und genießt die Vielfallt seines Lieblingsgetränks.

Wer aber viel Cannabis kauft, besitzt oder privat anbaut soll auch für einen angenommenen Schwarzhandel verurteilt werden können ohne, dass der Handel nachgewiesen werden muss. Karl Lauterbach erläutert das so: „Beschränkungen von Besitzmengen sind ein zentrales Instrument womit wir den illegalen Drogenhandel unterbinden wollen. Denn wenn jetzt jeder unbegrenzte Besitzmengen hätte, dann wäre jeder Drogenhändler jemand der gerade mehr in Besitz hat“

Auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert begründet die vermeintliche Notwendigkeit einer Besitzgrenze mit dem Pauschalverdacht des Schwarzhandels, ohne diesen mal einer einfachen Logigprüfung zu unterziehen: „Eine Begrenzung ist nötig, denn es geht ja um den Eigenkonsum und nicht darum, Cannabis tütenweise aus den Geschäften zu tragen, um damit einen florierenden Handel für Dritte aufzubauen.“ sagt er der FAZ , ohne zu verraten warum vorm Aldi keine Schwarzhändler zu finden sind, die den Schnaps dort kistenweise raustragen, um damit einen „florierenden“ Schwarzhandel zu treiben.

Alle Vorschläge die überbordende Regulation vorgesehen haben, die allein und ausschließlich für das Genussmittel Cannabis gelten und nicht plausibel zu begründen sind, lehnen wir als Prohibition 2.0 ab.

Diesem Wording schließt sich angesichts der vorliegenden Vorschläge auch die Fachsprecherin für Drogenpolitik der FDP Fraktion an (wobei der Gesundheitsminister betont, dass im Kabinett auch die FDP zugestimmt hat).

Der EU-Hammer: So wird das nichts!

Relativ wenig Beachtung findet in der Berichterstattung die weitere Vorgehensweise die der Umsetzung der Eckpunkte zu einem, Gesetzentwurf vorangestellt werden soll.

Noch vor einigen Wochen hatte Lauterbach in einem Special der Heute Show betont, dass seine hauseigenen Juristen mehrere Lösungen für eventuelle Hindernisse durch internationale Vereinbarungen, sowohl mit der UN, als auch auf EU Ebene bezüglich des Schengen-Abkommens erarbeitet hätten.

Davon war jetzt keine Rede mehr und es wurde keine mögliche Lösung vorgestellt. Stattdessen möchte man einfach die EU-Kommission fragen, ob sie unter den strengen Reglementierungen und unter Beibehaltung der Ziele des Verbots nicht vielleicht doch einverstanden ist. „Interpretationslösung“ nennt Lauterbach das, da er der EU Kommisssion einfach eine Uminterpretation der hinderlichen Abkommen vorschlagen möchte.

Sollte die Kommission „klar zustimmen“ – und erst dann – will man auf der Grundlage der vorgestellten Eckpunkte einen Gesetzentwurf erarbeiten. Sollte die Kommssion in Teilen ablehnen, werde man nacharbeiten. Dies könnte z.B. bedeuten, dass noch engere Grenzen gezogen werden und noch weitergehend krominalisiert wird.

Allerdings ist äußerst fraglich warum die EU Kommission auch nur in Teilen einer Neuinterpretation bzw kompletten Uminterpretation der Verbote auch nur in Teilen zustimmenb sollte. Wahrscheinlicher ist aus unserer Sicht, eine komplette Ablehnung. Was dann passieren soll weigerte sich Lauterbach standhaft zu sagen: Wenn die Kommission klar ablehne werde es „keinen Gesetzentwurf auf dieser Grundlage“ geben. Ob es dann einen Gesetzentwurf auf einer anderen Grundlage und auf welcher geben könnte oder ob es einen anderen Plan B gibt, wollte er partout nicht verraten. 

Am Ende könnte es, wie viele Legalisierer schon länger befürchten, also durchaus heißen: „Tut uns leid, wir haben es versucht aber eine Legalisierung geht nicht. Aber wählt uns wieder, wir werden es wieder probieren!“

Aber die Politik sollte sich auch im klaren sein, dass wir nicht aufgeben werden. Und jedesmal wenn wir verarscht werden, werden wir radikaler. Wir werden nicht aufgeben, wir kämpfen für unser Recht.

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Author

Andreas Gerhold

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