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Gesundheitsausschuss: Coffee-Shop auf der Schanze? – Vergesst es!

25. September 2015

Gesundheitsausschuss:
Coffee-Shop auf der Schanze? – Vergesst es!

Der Gesundheitsausschuss befragt Experten zu Modellprjekt Cannabis und vergisst die Ergebnisse und Empfehlungen des Runden Tisches Sternschanze

Am vergangenen Donnerstag hatte der Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Expertenanhörung zu „Modellprojekt kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene“ eingeladen und damit die im Koalitionsvertrag vereinbarten „ergebnisoffenen Beratungen“ begonnen. Schon diese Minimalformulierung ließ befürchten, dass aus „ergebnisoffen“ schnell „ergebnislos“ werden wird. Trotzdem war der Besucherandrang groß.

Geladen waren neun Auskunftspersonen, darunter die üblichen Prohibitionsfetischisten befürworter wie Professor Rainer Thomasius, Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am UKE oder der Oberstaatsanwalt aus Wittlich Jörn Patzak und Professor Poser aus Göttingen. Unsere Grundhaltung wurde gut vertreten von Theo Baumgärtner, Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e. V , Anke Mohnert von der Drogenhilfeeinrichtung Palette e.V., dem Hamburger Strafrechtsanwalt Dr. Heiko Mohrdieck und Professor Prof. Dr. Gundula Barsch, Hochschule Merseburg, Fachbereich Soziales, Medien und Kultur – Drogen und Soziale Arbeit.

Enttäuschend waren aus unserer Sicht die Ausführungen von Dr. Jens Kalke vom Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung  (ISD). Kalke trat zwar grundsätzlich für Entkriminalisierung und ein Modellprojekt ein, formulierte aber die aus seiner Sicht notwendigen Bedingungen und Kontrollen, in Hinblick auf Genehmigungsfähigkeit durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dermaßen rigide, dass ein Modellprojekt aus unserer Sicht, keine Sinn machen würde, weil eine sinnvolle Zielsetzung damit nicht mehr verfolgt werden könnte. Dem widersprach Frau Barsch, die empfahl sich nicht schon selbst gleich zu Beginn „die Flügel zu stutzen“, das geschehe noch früh genug. Auch Anwalt Mohrdiek hielt eine offenere Erprobung über § 3 (2) BtMG für machbar. Theo Baumgärtner erinnerte in seiner Schlussbemerkung, ganz in unserem Sinne, dass eine Zielformulierung am Anfang stehen sollte. Den größten Unterhaltungswert hatten mal wieder die hinlänglich bekannten Ausführungen von Dr. Thomasius und führten mehrfach zu Gelächter im Publikum.

Der CSC-HH bezieht Stellung

Der erste Teil der Beratungen drehte sich um den generellen gesellschaftlichen Umgang mit Cannabis, der Zweite konkret um Modellprojekte zur Cannabisabgabe. Nicht mit am Tisch saßen die Betroffenen die eine legale Abgabestelle einfordern. Der Vertreter des Statdtteilbeirates Sternschanze Wolf Buchaly wurde, trotz einer Zusage der Ausschussvorsitzenden Christiane Blömeke (Grüne) nicht zugelassen,  eine Bewerbung des CSC-HH nach unserer Gründung am 14.07. konnte nicht berücksichtigt werden, der Gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke hat aber einen Austausch angeregt. Als Interessenvertretung von Cannabiskonsumenten haben wir es uns trotzdem nicht nehmen lassen Stellung zu beziehen und haben eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme an die Ausschussmitglieder und Fraktionen verschickt.

In unserer Stellungnahme weisen wir auf das Scheitern von Verboten und Verfolgung und  insbesondere auf die sozialen und Schäden für die Volksgesundheit durch Drogenverbote hin. Für ein Modellprojekt empfehlen wir bei allen Überlegungen die zwei unterschiedlichen Zwecke – wissenschaftliche Fragestellung oder Öffentliches Interesse – die das BtMG in § 3 (2) für Ausnahmegenehmigungen vorsieht, zu beachten und nicht zu vermischen oder zu verwechseln. Wir weisen darauf hin, dass am Anfang aller Überlegungen und Beratungen zu klären ist, welches Ziel man anstrebt. Will man eine wissenschaftliche Studie, zum Beispiel um Konsummuster zu erforschen? Oder will man einen anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck verfolgen? Zum Beispiel einem problematischem Schwarzmarkt, dem man mit Repression nicht Herr wird,  die Grundlage zu entziehen, um damit die im öffentlichen Interesse liegenden Ziele von verbessertem Jugend- und Verbraucherschutz, sowie eine Entlastung der Anwohner anzustreben.

Der CSC-HH empfiehlt, auch unter Hinweis auf das, was der Runde Tisch Sternschanze mehrheitlich für den Stadtteil wünscht, ein Modellprojekt mit rund zehn Abgabestellen für ganz Hamburg, für jeden Bezirk mindestens einen. Die sollen den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck verfolgen den Schwarzmarkt zurückzudrängen und die negativen Effekte zu bekämpfen. Die wissenschaftliche Begleitstudie untersucht ob formulierte Ziele, wie verbesserter Jugend- und Verbraucherschutz erreicht werden und ob es zu unerwünschten Begleiterscheinungen, wie einer Zunahme des Konsums, kommt.  Ein mögliches Modellprojekt muss auf dieses Ziel gerichtet ausgestaltet werden. Wir geben Anhaltspunkte, was wir für eine zieloptimierte Ausgestaltung halten. Je weiter sich eine Ausgestaltung davon entfernt, je weniger gewünschte Effekte wird man erzielen können.

Andreas Gerhold:

„Ganz im Sinne der Empfehlung von Frau Professor Bartsch, sich nicht gleich zu Beginn selbst die Flügel zu stutzen, haben wir empfohlen was wir für die optimale Verfolgung eines formulierten Ziels für sinnvoll erachten. Aber auch das was der Runde Tisch in der Sternschanze sich von einem Modellprojekt erwartet. Eine wissenschaftliche Untersuchung zu Konsummustern einer kleinen streng limitierten und kontrollierten Probandengruppe nützt den Schanzenbewohnern nichts und nützt den Cannabisverbrauchern nichts.

Dass die Beratungen des Runden Tisches Sternschanze zu einem Modellprojekt und der im Ergebnis mit  deutlichem Votum geäußerten Empfehlung an den Gesundheitsausschuss für ein Modellprojekt mit dem Ziel dem Schwarzmarkt die Grundlage zu entziehen, im Ausschuss nicht ein mal erwähnt, geschweige denn erörtert wurde, ist beschämend. Die Damen und Herren Abgeordneten haben die Gelegenheit verpasst die versammelten Experten mit den Wünschen der Bürger, die man in tollen „Beteiligungsverfahren“ herausgefunden hat, zu konfrontieren und dazu zu befragen. Im Gegenteil, schlossen Etliche eine solche Zielsetzung als überhaupt zur Beratung stehend aus.

Ein Modellprojekt nur um irgendwas auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu machen, oder wenigstens mal drüber gesprochen und  Experten angehört zu haben, kann man sich auch schenken, das ist Augenwischerei. Die Grünen arbeiten lustlos einen vage als „ergebnisoffene Beratung“ in den Koalitionsvertrag verhandelten Punkt ab. Selbst die FDP war engagierter und hat, mit Hilfe von der Trainerbank, noch einen amüsanten Punktsieg gegen Thomasius vorbringen können, in dem sie ihn mit sich selbst widerlegt hat. Bei der SPD werden wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen. Das war auch für Prohibitionsbefürworter eine ganz schwache Leistung und eine glanzvolle Präsentation von Ahnungslosigkeit. Aber zum Glück haben die Sozialdemokraten ja die Friedrich Ebert Stiftung, das ist da schon einen großen Schritt weiter. In der SPD bewegt sich ja was, in der Hamburger Bürgerschaftsfraktion ist davon aber noch nichts angekommen.“

 

 

Schlussempfehlung an den Gesundheitsausschuss
Der Cannabis Social Club Hamburg befürwortet Modellprojekte zur Cannabisabgabe, sofern sie
zielorientiert, zur Minderung der Probleme der Prohibition, zum Schutz von Jugend, Verbrauchern
und Gesellschaft ausgestaltet sind und als Schritt zu allgemeiner Regulation bzw. der modellhaften
Erprobung einer allgemeinen Regulierung konzipiert werden. Wir empfehlen daher, zunächst die
Ziele eines möglichen Modellprojektes klar zu definieren und ein zielgerichtetes Konzept zu entwickeln.
Einen auf Genehmigungsfähigkeit ausgerichteten Antrag, wie den aus Berlin können wir nur sehr
eingeschränkt empfehlen. Aus unserer Sicht kann ein solcher Antrag nur dazu dienen die Diskussion
anzuregen und den Druck für eine allgemeine Legalisierung zu erhöhen. Ein solches
Modellprojekt brächte aber für die angesprochenen Ziele keinen direkten Nutzen, wäre unter
Umständen sogar kontraproduktiv. Sollte sich der Senat zu einem solchen Antrag entschließen,
empfehlen wir den Antrag aus Berlin einfach zu kopieren, um mit wenig Aufwand und Kosten den
Diskussionsanstoß der von dem Berliner Antrag ausgeht zu unterstützen.
Studien, die rein wissenschaftlichen Fragestellungen, wie der Erforschung von Konsummustern
dienen, mögen sinnvoll sein, müssen aber nicht von der Stadt als Modellprojekt organisiert werden.
Modellprojekte, die als Ersatz für andere sinnvolle Maßnahmen oder der allgemeinen Legalisierung
dienen sollen, halten für für nutzlose Schaufensteraktionen und lehnen diese ab.

 

 

Keine Überraschungen

Dass sich aus der Expertenrunde, die von den Fraktionen eingeladen werden und folglich deren Positionen vertreten, kein einheitliches Bild ergeben würde, sondern die bereits vorhandenen Positionen und Mehrheitsverhältnisse der Bürgerschaft spiegeln würden war abzusehen und ist bei solchen Anhörungen immer der Fall. Folglich wurden auch dieselben Argumente vorgetragen, die üblicherweise ausgetauscht wurden. Im Ergebnis wurde klar, dass es in der Hamburger Bürgerschaft derzeit keine Mehrheit für eine liberale Drogenpolitik gibt, nicht einmal eine echte Bereitschaft über den Tellerrand der eigenen Vorurteile zu blicken.

Nicht wirklich überraschend aber teils sehr erschreckend waren die Fragen und Statements der Abgeordneten, die gleichzeitig weitgehende Ahnungslosigkeit und glühende ideologische Überzeugungen offenbarten. Auffällig waren dabei insbesondere die Äußerungen aus der SPD-Fraktion, die im Publikum wegen der schlechten Lesbarkeit der Schilder, teilweise der AfD zugeordnet wurden, bis das auf Handys, mit Hilfe von Google geklärt werden konnte.

Wie von uns befürchtet und in unserer Stellungnahme ausgeführt, wurde in den Beratungen über Zielsetzungen so gut wie gar nicht gesprochen, es wurde nicht klar zwischen den beiden gesetzlichen Zwecken für eine Ausnahmegenehmigung unterschieden, sogar vehement vertreten, andere als streng wissenschaftliche Zwecke kämen rein juristisch gar nicht in Frage, oder sogar rein pharmazeutische seien die einzig möglichen.  Das Interesse und Engagement der Abgeordneten war in den Spitzen mittelmäßig, auch die Befürworter wirkten lustlos und schlecht vorbereitet – wir bieten zukünftig Unterstützung an. .

Wer also gehofft hatte in Hamburg würde über etwas ähnliches wie Coffee-Shops in der Bürgerschaft beraten, am Ende vielleicht einer auf der Schanze beschlossen – vergiss es, die reden nicht mal drüber. Noch nicht.

 

 

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Andreas Gerhold

Comments (1)

  • September 26, 2015 by Nicky

    Nicky

    Super geschrieben….toller Bericht……die SPD Frau hat mich echt schockiert… hätte nie gedacht, das sie bei der SPD ist !

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