Allgemein

Urteil im Mediseed-Prozess

17. November 2015

Wirkstoffreie Betäubungsmittel

Die Geschäftsführerin der Mediseeds GmbH, Nicky Wichmann, die 2013 Cannabissamen für Patienten mit Anbauerlaubnis in Automaten angeboten hatte, wurde heute vom Amtsgericht Hamburg in erster Instanz für schuldig befunden unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln betrieben zu haben. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, die Samen und der Umsatz von 630 Euro wurden eingezogen. Das schriftliche Urteil wird in spätestens fünf Wochen erwartet.

Cannabissamen enthalten keinen berauschenden Wirkstoff und fallen eigentlich nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, „sofern nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt“. Die Anwälte hatten eine Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht beantragt (wir berichteten) und haben nun, zunächst unbestimmte, Rechtsmittel eingelegt. Sobald das Urteil vorliegt soll entschieden werden ob gegen das Urteil Berufung vor dem Landgericht eingelegt wird oder Revision wegen Verfahrensfehlern vor dem Oberlandesgericht.

 

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Verstößt das deutsche BTMG gegen EU-Recht?

Der Handel mit den THC-freien Cannabissamen ist fast überall in der EU legal. Die Samen werden europaweit gehandelt und von holländischen, spanischen oder Firmen aus Österreich über das Internet auch nach Deutschland verkauft. Dieser Handel wird in deutschen Medien offen und unbeanstandet beworben. Insbesondere mit dem heutigen Urteil und der rigiden Gesetzesauslegung, mit dem auch der Handel, der explizit für erlaubten Anbau vorgesehen ist und auch mit diesem Geschäftszweck in das Handelsregister eingetragen wurde, als illegal klassifiziert wird, liegt die Vermutung nahe, dass die 1998 in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommene Passage, dass Cannabissamen vom Verbot ausgenommen seien, „sofern nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt“ auch gegen EU-Recht verstößt.

Innerhalb der Europäischen Union gilt die Wettbewerbsfreiheit, womit die Warenverkehrsfreiheit  des Güterverkehr gesichert werden soll. Nationale Beschränkungen der Wettbewerbs- und Warenverkehrsfreiheit sind eindeutig verboten. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern muss möglich sein. So gesehen verstößt Deutschland mit diesem Gesetz gegen geltendes EU-Recht. Falls es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kommen sollte, würde Deutschland sehr wahrscheinlich eine Gesetzesänderung vornehmen müssen.

Rechtsanwalt Ernst Medecke, Gründungsmitglied des Cannabis Social Club Hamburg, vertritt die Mediseed GmbH: „Das Urteil ist im Hinblick auf den Antrag der Staatsanwaltschaft zwar maßvoll, geht aber an den gesellschaftlichen Realitäten vorbei. Der Unrechtsgehalt der Tat liegt bei Null. Wer einen Ladendiebstahl oder eine Körperverletzung begeht, hat ein schlechtes Gewissen für das was er/sie getan hat, wer kifft oder mit Samen handelt, hat nur die Angst, erwischt zu werden. Spätestens der Europäische Gerichtshof wird diese überkommene Praxis staatlicher Einmischung beenden.“

 

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Wem gehört die Ware?

Unter europoarechtlichen Aspekten ist auch die Beschlagnahme der Cannabissamen problematisch. Die Samen gehören nicht der Mediseed GmbH, sondern wurden dieser von der spanischen Firma Trendshop Trading als Kommissionsware überlassen. Trendshop Trading verlangt nun die Rückgabe ihrer, in Spanien zweifelsfrei legalen Ware und klagt in Spanien gegen die Mediseed GmbH. Die Anwältin der Firma hatte vor dem Hamburger Amstgericht die Aussetzung des Verfahrens bis zur Eigentumsklärung durch ein spanisches Gericht beantragt. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Damit ist zu erwarten, dass auch Trendshop Trading Rechtsmittel einlegen wird.

Nicky Wichmann, heute im Vorstand des Cannabis Social Club Hamburg, hat vom Hamburger Amtsgericht kein zufriedenstellendes Urteil erwartet und rechnet mit einem langen Rechtsweg: „Ein klärendes Urteil war heute nicht zu erwarten, schön wäre aber gewesen, wenn das Gericht unserem Antrag auf Vorlage beim Bundesverfassungsgericht zugestimmt hätte. Damit hätten nicht nur wir, sondern auch die Justiz sich viele Zwischenschritte sparen können. Wir werden das Urteil jedenfalls nicht akzeptieren und zur Not bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um die deutsche Gesetzesvorschrift zu kippen und unser Recht durchzusetzen.“

 

 

 

 

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Andreas Gerhold

Comments (2)

  • November 18, 2015 by Robert Wenzel

    Robert Wenzel

    sprungrevision – sachrüge nicht verfahrensrüge – eugh-vorlage beantragen. single-convention außer kraft wg. abweichenden völkergewohnheitsrecht (colorado, washington und bald washington dc, federal-zustimmung-erforderlich). gruß von maureen schwalke.

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